Das innere Team

Disclaimer: Die im folgenden Artikel gewählte weibliche Form bezieht sich immer zugleich auch auf männliche trans*-, Inter- und Nicht-binäre-Personen.

Eines meiner favorisierten Tools im Coaching ist die Anteilsarbeit, auch die Arbeit mit “dem inneren Team” genannt. 

Dieses Persönlichkeitsmodell stammt von dem Hamburger Psychologen Friedemann Schulz von Thun und kann hervorragend in Situationen der inneren Zerrissenheit und ambi- bzw. multivalenten Gefühlen helfen. Auch Handlungsmuster, die von uns selbst negativ bewertet werden, können mit Hilfe dieses Tools näher betrachtet werden.  Besonders an der Anteilsarbeit ist, dass der rationale Verstand in den Hintergrund treten darf. Somit entsteht Raum für das intuitive Erleben und die Verbindung zum Selbst. Die Coachee gewinnt neue Einsichten, die sie zu der Umsetzung ihres Coaching-Ziels befähigen. Dabei werden mit Hilfe des inneren Teams Entscheidungs- und Handlungsblockaden gelöst.

Häufig betritt DER/die Coachee in einem aufgewühlten und ratlosen Zustand das Coaching: 

Die (zu diesem Zeitpunkt als möglich wahrgenommenen) Entscheidungs- bzw. Handlungsoptionen sind bereits so oft durchdacht worden, dass der/die Coachee weder einen Schritt vor noch zurück weiß. Unterschiedliche Gefühle, Bedürfnisse und vermeintliche Verpflichtungen verhindern den nächsten Schritt zur Lösung. Die Antwort auf die Frage “Was möchte ICH?” erscheint schier unmöglich. Innere Konflikte dieser Art können sehr belastend sein. Wenn wir uns zusätzlich über unsere innere Zerrissenheit ärgern, wird die Situation noch schwieriger.

Dass wir unterschiedliche Stimmen in uns tragen, deren Geltungsbedürfnis situationsbedingt schwankt, ist völlig normal. Problematisch wird es nur, wenn wir uns zu stark mit einer dieser Stimmen und deren Erleben identifizieren. Dann vernebelt sich die Sicht für alternative Möglichkeiten und Handlungsoptionen. Wir stecken sozusagen in der Haut eines unserer inneren Teammitglieder fest. In einem gesunden Team können sich dahingegen innere Synergieeffekte entfalten. Gute Teamarbeit bedeutet, dass Sie als das  übergeordnete Ich, auch “Teamleiter*in” genannt, agieren können. Er/sie weiß, unter welchem Umständen wir in einem positiven Ich-Zustand sind, wann wir uns selbstbewusst, kompetent und zuversichtlich gefühlt haben. Das gesamte innere Team ist in Balance wenn unser übergeordnetes Ich in der Lage ist, unsere verschiedenen Persönlichkeitsanteile zu steuern.

Wie kommt man nun mit den einzelnen Teammitgliedern in Kontakt?

Zunächst werden gemeinsam mit dem/der Coachee alle relevanten Stimmen herausgearbeitet, indem die unterschiedlichen und teils widersprüchlichen Emotionen und Gedanken, die hinsichtlich des Anliegens im Coachee aktiv sind, genauer betrachtet werden. Der/die Coachee entscheidet anschließend, in welcher Reihenfolge er/sie die einzelnen Teammitglieder näher beschreiben möchte. Sehr intuitiv können Angaben zur Größe, Alter, äußerem Erscheinungsbild, Namen und Leitsatz der inneren Teammitglieder gemacht werden.

Es ist äußerst spannend zu beobachten, wie hier der/die Coachee häufig die eigene Überraschung vom Gesicht abzulesen ist, mit welcher Präzision   plötzlich Bilder in den Sinn kommen. Der/die Coachee ist dazu eingeladen, die inneren Bilder eigenhändig zu visualisieren. In manchen Fällen kann dies jedoch den Gedankenprozess stören, sodass ich als Coach manchmal diese Aufgabe übernehme. Schließlich ergibt sich daraus ein visuell dargestellter IST-Zustand, bestehend aus dem Ich (Teamführungsrolle) in Beziehung zu den einzelnen Teammitgliedern. Relevant hierbei ist die räumliche Ordnung (Abstände zueinander) und die Blickrichtungen.

Im nächsten Schritt spreche ich jedes TeammitglieD nacheinander direkt an:

“Hör mal, [Name Teammitglied] in [Name des/der Coachee], bist du damit einverstanden, wo du gerade stehst?” Den Anteilen des/der Coachee werden nun Fragen zu ihren Gedanken und ihrer Aufgabe im inneren Team der Coachee gestellt.

Diese Übung kann für einige Menschen erstmal ungewohnt sein, meiner Erfahrung nach funktioniert sie jedoch auch bei eher rational verankerten Personen sehr gut. Dafür ist es wichtig, den/die Coachee in ihrem Wesen anzuerkennen. Nacheinander wird mit allen Anteilen gesprochen. Am Ende folgt eine Erkenntnissammlung, während dieser die Gespräche die Dialoge der einzelnen Anteile Revue passieren lässt.  Emotionen und Gedanken, die zuvor missachtet wurden, finden nun wieder Gehör und liefern entscheidende Hinweise für die Lösung des Ziels. Der/die Coachee wird dazu eingeladen, sich Richtung SOLL- bzw. Zielzustand zu bewegen. Was hat sich im Vergleich zum anfänglich visualisierten IST-Zustand verändert? Wie sieht das Bild jetzt aus?

Oftmals sind hieran auch Körperempfindungen verknüpft. Das SOLL-Bild und die daran gekoppelten Körperemfindungen, wie beispielsweise ein freies Gefühl im Brustraum,  dient dem/der Coachee als hilfreiche Brücke in den Alltag. Somit wird die Chance zur tatsächlichen Umsetzung erhöht und vereinfacht.

Artikel teilen

Weitere Artikel

Foto Newsletter Anmeldung - Energie durch Entwicklung

SEIEN SIE IMMER BESTENS
INFORMIERT!

Erhalten Sie themenrelevantes Wissen und Impulse aus den Bereichen Organisations- und Teamentwicklung, Führungs- und Unternehmenskultur.